Eröffnung



Mittwoch, 12. September 2012

Autor

Madeleine Imbeck / Arpad Hetey

9 Uhr in Engelberg. Nach einer Bahnfahrt durch ein idyllisches Tal stehen wir im Nieselregen und schauen auf nebelverhangenen Bergflanken. Ein typischer Touristenort – Bahnhof, Grand Hotels, die unvermeidlichen Herbergen im Chalet-Stil und die die Hänge hinaufwachsenden Wohnhäuser – weiter hinten das Kloster Engelberg, die Keimzelle des ganzen Dorfs.

Im Barocksaal des Klosters dann die Eröffnungsrede von Klaus Hug, dem Präsidenten der Stiftung Academia Engelberg, gefolgt von einer grossartigen Brecht-Aufführung mehrerer Studenten der Hochschule der Künste Zürich. Beide boten einen guten Abriss über die oft kontroversen Ansichten zur Stadt. Doch egal ob wir es mit dem römische Schriftsteller Juvenal halten, der sich bereits vor 2000 Jahren über die hohen Mieten und den Verkehrslärm in der Grossstadt beschwerte, dem arabischen Gelehrten al-Farabi, der die Stadt als Inbegriff von Glück und Perfektion beschwört, oder Bertold Brecht, der das unbarmherzige Stadtleben der Neuzeit beschreibt – Fakt ist, dass die Urbanisierung unaufhaltsam fortschreitet.

Urban Archipelago und Smart City

Der erste Vortrag der Academia, Dieter Läpples „Will the whole world become a City“, bot einen guten Einstieg ins Thema. Er betonte, dass wir am Übergang zu einer neuen, überwiegend urbanen Welt stehen und bis zum Ende des Jahrhunderts eine komplett urbanisierte Umwelt erleben werden. Gab es 1960 mit New York und London erst zwei Städte mit über 10Mio. Einwohnern, so sind es nun Dutzende. Der Schwerpunkt dieser neuen, urbanen Landschaft bewegt sich dabei nach China, nach Indien oder nach Lateinamerika; das Bevölkerungswachstum in urbanen Zentren entsteht nicht länger durch den Zuzug ländlicher Bewohner, sondern durch das natürliche Wachstum der Stadtbevölkerung.

Der Armuts-Schwerpunkt verschiebt sich so langsam vom Land in die Stadt und die wachsenden Slums der neuen Millionenstädte erfordern neue Lösungen: Wir können Slums nicht einfach abreissen, wir müssen ihr Potenzial als Übergangsraum verstehen und sie transformieren! Als komplexe soziale Netzwerke bieten sie Arbeitsplätze und ermöglichen Handel, durch Bildung und staatliche Anerkennung informeller Strukturen können wir einen neuen Immobilienmarkt und eine neue Mittelschichte fördern. Die Möglichkeit, zur Nahrungssicherheit Produktion und Landwirtschaft zurück in die Stadt zu bringen, bietet völlig neue Möglichkeiten bis hin zum Bild des „urban archipelago“ – der Überwindung traditioneller, hierarchischer Gegensätze zwischen Stadt und Land und einer komplexen Verknüpfung urbaner und ruraler Regionen.

Das komplette Gegenteil dieser informellen Slum-Urbanisierung ist die von Tamoaki Wade vorgestellten Smart City, eine überwachte und zentral gesteuerte technokratische Utopie der Nachhaltigkeit. Im Rahmen von Modellstädten werden dort erneuerbare Energien, intelligente Haussteuerung und hochtechnisierte Infrastruktur getestet. Dynamische Gestaltung des Strompreises und Visualisierung des Stromverbrauchs werden eingesetzt, um bei Privatverbrauchern
einen bewussteren Umgang mit Energie zu erreichen.

Beide Modelle ersetzen die herkömmlichen westlichen Bilder der Stadt als historisch gewachsene Struktur und wir werden sehen, welche Stadtvorstellung sich wo durchsetzen wird. Wird es am Ende ein Nebeneinander der klassischen europäischen Stadt, des informellen, polyzentrischen Stadt-Archipels und der technisierten Smart City geben? Werden sich diese Typen vermischen? Oder werden eh alle Differenzen vom urban sprawl der generic city geschluckt?

Donatoren und Partner

Der ETH-Rat ist verantwortlich für die strategische Führung des ETH-Bereichs und übernimmt die Aufsicht über dessen Institutionen. Die enge Partnerschaft zum ETH-Rat seit dem Jahr 2000 trägt zu einem erfolgreichen Fortbestehen der Stiftung Academia Engelberg bei.

Die Helvetia ist eine qualitätsorientierte Allbranchenversicherung mit über 150 Jahren Erfahrung. Die Stiftung Academia Engelberg ist überzeugt, durch die Partnerschaft ab 2015 wichtige Synergien nutzen zu können.

Das Benediktinerkloster Engelberg prägt die Geschichte des wunderschönen Bergtales seit seiner Gründung im Jahr 1120.

Die heutigen Tätigkeiten der Mönche erwuchsen weitgehend den Bedürfnissen des Ortes. Bildungsarbeit an der Stiftsschule, Seelsorge in der Pfarrei, Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe, Kultur- und Landschaftspflege sind Bereiche, in denen sich die Mönche sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Klosters engagieren.

Die Stiftung fördert die Erforschung der verbindenden humanen Grundlagen der Wissenschaften. Die Stiftung Academia Engelberg und die Stiftung Humanwissenschaftliche Grundlagenforschung haben für die Jahre 2023 bis 2024 eine Zusammenarbeit vereinbart.