Von der Arbeiterfrage zum Sozialstaat. Ein Rückblick



Dienstag, 15. Oktober 2013 | 14:00 Uhr

Referent

Brigitte Studer

Organisation

Universität Bern

Reporting

Professor Brigitte Studer, Historisches Institut, Universität Bern, befasste sich mit der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der modernen Sozialen Sicherungssysteme bis zur Gegenwart mit Fokus auf die Schweiz.
Der Vortrag lieferte einen kritischen Überblick über die verschiedenen Phasen der Sozialen Sicherheit in der Schweiz. Obschon sich ab Ende des 19. Jahrhunderts neue Paradigmata der Sozialpolitik etablierten und mit dem Ersten Weltkrieg die öffentliche Hand private Fürsorgeorganisationen zu subventionieren begann, dauerte es bis zum Zweiten Weltkrieg bis der Schweizer Sozialstaat in seine Take-off-Phase trat. Erst dann wurden die ersten allgemeinen und obligatorischen Sozialversicherungen mit finanziellem Risikoausgleich eingeführt.
Hervorheben kann man bei diesem Rückblick besonders drei Punkte: Erstens, das Schweizer System der sozialen Sicherheit sei institutionell fragmentiert und nur schwach zentralisiert geblieben. Zweitens, eine lange Entwicklungsdauer, die Vielfalt der Akteure, die schwachen Bundeskompetenzen im föderalistischen System hätten zu einem pluralistischen oder auch einem politisch hybriden System geführt. Es lasse sich nicht zu einem der drei Wohlfahrtssysteme zuordnen. Und Drittens, soziale Sicherheit sei stets das Resultat von soziopolitischen Aushandlungen und Entscheidungen. Weitere Ausführungen finden Sie im Video.

Präsentation von Professor Brigitte Studer
Professor Georg Kohler, em., Universität Zürich, ging zu Beginn der Frage nach, „Was heisst eigentlich Gerechtigkeit?“. Gemäss Georg Kohler gebe es die formale Gerechtigkeit, die Verteilgerechtigkeit und die materielle Gerechtigkeit. Danach erläuterte er die drei prinzipiellen Motive, auf die sich der Sozialstaat der Gegenwart zurückführen lasse: „Ersten der Gerechtigkeitsanspruch, der unmittelbar mit den Basisideen des liberalen Rechts- und Verfassungsstaates verknüpft ist. Zweitens das Stabilitätsbedürfnis aller, also auch demokratischer Herrschaftsformen. Und Drittens die Solidaritätsbereitschaft der Bürger und Bürgerinnen, die zum Wesen der modernen politischen Nation gehört. Diese drei Grundkräfte führten in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zu einer beispiellosen Ausdehnung sozialstaatlicher Zuständigkeiten. Komplementär dazu hat sich eine scharfe Kritik an diesen Tendenzen entwickelt, die ihrerseits verschiedene Gründe namhaft machen kann. Überlastung der Staatsbudgets ist bloss einer von ihnen; nicht zuletzt sind es heute die Effekte der „“transnationalen Konstellation““, die die Modelle nationalstaatlicher Sozialpolitik in Frage stellen.“
Zu welcher Form der Gerechtigkeit die die aktuelle „1:12 Initiative“ in der Schweiz gehöre, wie er zu dieser stehe und welche wichtigen Erkenntnisse er den Teilnehmenden sonst noch mit auf den Weg gab, können Sie hier nachsehen.

Brigitte Studer

2010 Senior research fellow University of London, Institute of Historical Research
2008 – 2009 Scientific Committee of the Swiss Network for International Studies in Geneva (SNIS), Genf
2002 – 2007 Forschungsrätin des Schweizerischen Nationalfonds, Abteilung I
2001 Wahl in den Conseil scientifique du département des Sciences de l’Homme et de la Société, CNRS, Paris
2001 – 2004 Visiting Professor an der University of Strathclyde, Glasgow
1998 – 2001 Stiftungsrätin Science et Cité
1997 Visiting Fellow am Institut für Geschichte der Universität Wien
Seit 1997 Ordinariat für Schweizer und Neueste Allgemeine Geschichte an der Universität Bern.
1996 Lehrstuhlvertretung am Historischen Seminar der Universität Zürich (Lehrstuhl Rudolf Braun)
1995 – 1997 Lehrbeauftragte Universität Genf, Département des Sciences économiques et sociales 1995 Visiting Professor Washington University in St. Louis/ Missouri-USA
1995 Lehrbeauftragte am Historischen Seminar der Universität Zürich
1994 – 1996 Forschungsleiterin des Editionsprojekts «Chiffrierte Telegramme der Komintern», Universität Lausanne, in Zusammenarbeit mit dem Institut für Weltgeschichte der Akademie der Wissenschaften/Moskau und dem Russischen Zentrum für die Aufbewahrung und die Erforschung von Dokumenten der Neuesten Geschichte/Moskau.
1994 thèse ès sciences politiques (histoire) (Ph.D.), Universität Lausanne mit einer Arbeit zur Kommunistischen internationale und ihrer Schweizer Sektion in den 1930er Jahren, ausgezeichnet mit dem Prix François Hauser als «lauréate» der Universität Lausanne.
1993 – 1995 Mitarbeiterin und Mitgesuchstellerin des Forschungsprojekts «Zwischen Schutz und Diskriminierung. Zum Wandel der Sonderschutzgesetzgebung für Frauen im schweizerischen Arbeitsrecht des 20. Jahrhunderts», Universität Basel.
1991 – 1992 Formations doctorales Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales, Paris mit Nachwuchsstipendium SNF und Stipendium der Fondation du 450e Anniversaire de l’Université de Lausanne.
1985 – 1991 Forschungsassistentin Universität Lausanne.

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